Montag, 21. November 2016

Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern – Neues vom Bundessozialgericht



 Die Stellung des Geschäftsführers zur GmbH bestimmt sich neben den Regelungen des GmbHG insbesondere nach dem Gesellschaftsvertrag und dem schuldrechtlichen Dienstvertrag des Geschäftsführers. Diese drei Regelungsentitäten bilden den rechtlichen Rahmen für die Beziehung des Geschäftsführers zur Gesellschaft und damit auch für die Frage der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers gegenüber der GmbH.


Das BSG geht zwar weiterhin von einer rechtlichen Einordnung anhand des Gesamtbilds der Tätigkeit aus, reduziert die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung von Geschäftsführern einer GmbH im Ergebnis aber auf die Frage, ob der Beschäftigte einem Weisungsrecht unterliegt, oder ob dieser über die Rechtsmacht verfügt, ihm unangenehme Weisungen jederzeit zu verhindern. So weist das BSG bzgl. anderer Umstände darauf hin, dass diese sowohl in einem selbstständigen als auch in einem nicht selbstständigen Arbeitsverhältnis vereinbart werden können und daher für die Zuordnung im Wesentlichen unbeachtlich sind (so z. B. die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung).

Der Wandel der Rechtsprechung führt dazu, dass in der neueren Rechtsprechung das Merkmal der Weisungsgebundenheit für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit des Geschäftsführers von überragender Bedeutung ist. Ist die GmbH als „Arbeitgeber“ in der Lage, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen, so ist von einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 I 1 SGB IV auszugehen. Verfügt der Geschäftsführer dagegen über die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern, so ist regelmäßig von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Entscheidend für die Frage der Weisungsgebundenheit sind dabei – wie aufgezeigt – nicht mehr die tatsächlichen Umstände der Beziehungen des Geschäftsführers zur Gesellschaft, sondern die Rechtsbeziehungen.

1. Fremd-Geschäftsführer

Der Fremd-Geschäftsführer, der nicht auch Gesellschafter ist, unterliegt den Weisungen der Gesellschafterversammlung, ist mithin weisungsabhängig im Sinne des § 7 I SGB IV tätig und unterliegt deshalb der Sozialversicherungspflicht.

2. Gesellschafter-Geschäftsführer hält mindestens 50 % der Anteile

Der Grundsatz der Weisungsabhängigkeit wird durchbrochen, wenn der Geschäftsführer über die Rechtsmacht verfügt, Weisungen an sich jederzeit zu verhindern.

Eine solche Rechtsmacht kann insbesondere dann bestehen, wenn der Geschäftsführer als Gesellschafter an der GmbH beteiligt ist, mithin aufgrund seiner Gesellschafterstellung in der Gesellschafterversammlung mit abstimmt und auf diese Weise auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung Einfluss nehmen kann.

Da die Beschlüsse der Gesellschaftsversammlung vorbehaltlich einer abweichenden Regelung  grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens 50 % der Anteile an der GmbH hält, ihm in seiner Rolle als Geschäftsführer nicht genehme Weisungen verhindern kann, indem er seine Stimmrechte im Rahmen der Gesellschafterversammlung dazu einsetzt, entsprechende Beschlüsse zu unterbinden.

Dieses soll nach der Rechtsprechung des BSG auch dann gelten, wenn ein besonderer Beirat geschaffen worden ist. Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der mit einem Anteil von 50 % an der GmbH beteiligt ist, ist auch in diesem Fall selbstständig tätig und unterliegt nicht der Sozialversicherungspflicht.

3. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer

Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der Anteile hält, ist ebenso wie der Fremd-Geschäftsführer regelmäßig rechtlich nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Mithin ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der Anteile an der GmbH hält, ebenso wie bei einem Fremd-Geschäftsführer aufgrund seiner Weisungsgebundenheit nach im Grundsatz von einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 I SGB IV und damit vom Bestehen der Sozialversicherungspflicht auszugehen.

Von diesem Grundsatz können Ausnahmen auftreten, und zwar durch besondere gesellschaftsrechtliche oder schuldrechtliche Vereinbarungen oder aufgrund der Umstände der Tätigkeit.

4. Gesellschaftsrechtlich begründete Ausnahmen

In der Praxis wird von den gesetzlich vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht selten abgewichen.

a) Gesellschaftsvertraglich verankerte Sperrminorität

Eine Sperrminorität bezeichnet die Möglichkeit, bei Abstimmungen Mehrheitsbeschlüsse verhindern zu können, ohne über die hierfür grundsätzlich erforderliche Quote der für eine Beschlussfassung erforderlichen Stimmen zu verfügen.

Die Vereinbarung einer Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag ist zulässig. Der Geschäftsführer, der über einen entsprechenden Umfang an Anteilen verfügt und sich auf ein gesellschaftsvertraglich verankertes Minderheitenrecht stützen kann, verfügt damit über die Rechtsmacht, ihm unangenehme Weisungen zu unterbinden.

Bislang war zweifelsfrei, dass ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer weisungsfrei und damit selbstständig ist, wenn er über eine gesellschaftsrechtlich verankerte Sperrminorität verfügt. Das BSG hat in seiner jüngsten Rechtsprechung indes daran gezweifelt, ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragslage mit Rücksicht auf die im sozialversicherungsrechtlichen Kontext des § 7 I SGB IV stehende Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit für die Statusentscheidung bedeutsam sind.

Letztlich hat es diese Frage offen gelassen und auch nicht ausgeführt, wie diese Zweifel mit der Einheit der Rechtsordnung einhergehen. Ob ein Geschäftsführer Weisungen unterliegt, ist eine Tatsache, die nicht vom Rechtsgebiet abhängt.

Das BSG fordert zudem, dass die gesellschaftsvertraglich verankerte Sperrminorität beständig ist und der Minderheitsgesellschafter sich im Konfliktfall gegen die Entziehung seiner Sperrminorität wehren kann.

Wenn ein Gesellschafter über eine umfassende Sperrminorität verfügt, kann sie ihm gegen seinen Willen nicht entzogen werden, da er diese Satzungsänderung mit seiner Sperrminorität verhindern kann.

b) Gesellschaftsvertragliches Vetorecht gegen Weisungen

Anstelle einer Sperrminorität, welche die Fassung von Beschlüssen der Gesellschafter verhindern kann, kann auch ein Vetorecht des Geschäftsführers gesellschaftsrechtlich vorgesehen sein, das dem Geschäftsführer das Recht gibt, ihm erteilte Weisungen nicht befolgen zu müssen. Die Geltendmachung des Vetorechts und die damit einhergehende Nichtbefolgung von Weisungen kann dann nicht von der Gesellschaft sanktioniert werden, da dem Geschäftsführer dieses Recht gerade zugesprochen wurde. Anders als bei der Sperrminorität ist bei einem Vetorecht indes die vom BSG geforderte notwendige Beständigkeit der Weisungsfreiheit fraglich, weil das Vetorecht, das sich nur auf die Befolgung von Weisungen bezieht, die Gesellschafter nicht hindert, den Gesellschaftsvertrag dahingehend zu ändern, dass das Vetorecht entzogen wird.

c) Gesellschaftsrechtliche Sonderrechte durch Beteiligung oder Sperrminorität auf Ebene der Muttergesellschaft

Denkbar ist ebenfalls, dass der Geschäftsführer an der Gesellschaft nicht beteiligt ist, aber Anteile an einer Muttergesellschaft hält. Hält der Geschäftsführer in einem Umfang Anteile an der Muttergesellschaft, der es ihm ermöglicht, dortige Beschlüsse über das Abstimmungsverhalten im Rahmen der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft herbeizuführen, kann er damit Beschussfassungen auf Ebene der Tochtergesellschaft verhindern, wenn die Muttergesellschaft ihrerseits mindestens 50 % der Anteile an der Tochtergesellschaft hält. Mithin kann er die Erteilung von Weisungen an ihn in seiner dortigen Funktion als Fremd-Geschäftsführer unterbinden.

Auch bei weiteren Zwischengesellschaften kann eine solche Rechtsmacht bestehen.

Soweit ersichtlich hatte die Rechtsprechung bislang nur über die Konstellation einer Beteiligung an der Muttergesellschaft von weniger als 50 % und ohne anderweitige gesellschaftsrechtliche Besonderheiten zu entscheiden. Da in dieser Konstellation keine Möglichkeit besteht, auf Ebene der Tochtergesellschaften Beschlüsse zu verhindern, besteht Sozialversicherungspflicht als Fremd-Geschäftsführer der Tochtergesellschaft.

Nach den Äußerungen des BSG in den jüngsten Entscheidungen müssen gleichwohl Zweifel verbleiben, wie sich die Rechtsprechung positionieren wird.