Die Stellung des Geschäftsführers zur GmbH bestimmt sich
neben den Regelungen des GmbHG insbesondere nach dem Gesellschaftsvertrag und
dem schuldrechtlichen Dienstvertrag des Geschäftsführers. Diese drei
Regelungsentitäten bilden den rechtlichen Rahmen für die Beziehung des
Geschäftsführers zur Gesellschaft und damit auch für die Frage der Weisungsgebundenheit
des Geschäftsführers gegenüber der GmbH.
Das BSG geht zwar weiterhin von einer rechtlichen Einordnung
anhand des Gesamtbilds der Tätigkeit aus, reduziert die
sozialversicherungsrechtliche Zuordnung von Geschäftsführern einer GmbH im
Ergebnis aber auf die Frage, ob der Beschäftigte einem Weisungsrecht unterliegt,
oder ob dieser über die Rechtsmacht verfügt, ihm unangenehme Weisungen
jederzeit zu verhindern. So weist das BSG bzgl. anderer Umstände darauf hin,
dass diese sowohl in einem selbstständigen als auch in einem nicht
selbstständigen Arbeitsverhältnis vereinbart werden können und daher für die
Zuordnung im Wesentlichen unbeachtlich sind (so z. B. die Zahlung einer
erfolgsabhängigen Vergütung).
Der Wandel der Rechtsprechung führt dazu, dass in der
neueren Rechtsprechung das Merkmal der Weisungsgebundenheit für die
sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit des Geschäftsführers von
überragender Bedeutung ist. Ist die GmbH als „Arbeitgeber“ in der Lage, dem
Geschäftsführer Weisungen zu erteilen, so ist von einer abhängigen Beschäftigung
im Sinne des § 7 I 1 SGB IV auszugehen. Verfügt der Geschäftsführer dagegen
über die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern, so ist
regelmäßig von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Entscheidend für die
Frage der Weisungsgebundenheit sind dabei – wie aufgezeigt – nicht mehr die
tatsächlichen Umstände der Beziehungen des Geschäftsführers zur Gesellschaft,
sondern die Rechtsbeziehungen.
1. Fremd-Geschäftsführer
Der Fremd-Geschäftsführer, der nicht auch Gesellschafter
ist, unterliegt den Weisungen der Gesellschafterversammlung, ist mithin
weisungsabhängig im Sinne des § 7 I SGB IV tätig und unterliegt deshalb der
Sozialversicherungspflicht.
2. Gesellschafter-Geschäftsführer hält mindestens 50 % der
Anteile
Der Grundsatz der Weisungsabhängigkeit wird durchbrochen,
wenn der Geschäftsführer über die Rechtsmacht verfügt, Weisungen an sich
jederzeit zu verhindern.
Eine solche Rechtsmacht kann insbesondere dann bestehen,
wenn der Geschäftsführer als Gesellschafter an der GmbH beteiligt ist, mithin
aufgrund seiner Gesellschafterstellung in der Gesellschafterversammlung mit
abstimmt und auf diese Weise auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
Einfluss nehmen kann.
Da die Beschlüsse der Gesellschaftsversammlung vorbehaltlich
einer abweichenden Regelung
grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden,
ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der
mindestens 50 % der Anteile an der GmbH hält, ihm in seiner Rolle als
Geschäftsführer nicht genehme Weisungen verhindern kann, indem er seine
Stimmrechte im Rahmen der Gesellschafterversammlung dazu einsetzt,
entsprechende Beschlüsse zu unterbinden.
Dieses soll nach der Rechtsprechung des BSG auch dann
gelten, wenn ein besonderer Beirat geschaffen worden ist. Der
Gesellschafter-Geschäftsführer, der mit einem Anteil von 50 % an der GmbH
beteiligt ist, ist auch in diesem Fall selbstständig tätig und unterliegt nicht
der Sozialversicherungspflicht.
3. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der
Anteile hält, ist ebenso wie der Fremd-Geschäftsführer regelmäßig rechtlich
nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Mithin ist bei
einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der Anteile an der
GmbH hält, ebenso wie bei einem Fremd-Geschäftsführer aufgrund seiner
Weisungsgebundenheit nach im Grundsatz von einer abhängigen Beschäftigung im
Sinne des § 7 I SGB IV und damit vom Bestehen der Sozialversicherungspflicht
auszugehen.
Von diesem Grundsatz können Ausnahmen auftreten, und zwar
durch besondere gesellschaftsrechtliche oder schuldrechtliche Vereinbarungen
oder aufgrund der Umstände der Tätigkeit.
4. Gesellschaftsrechtlich begründete Ausnahmen
In der Praxis wird von den gesetzlich vorgesehenen
gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht selten abgewichen.
a) Gesellschaftsvertraglich verankerte Sperrminorität
Eine Sperrminorität bezeichnet die Möglichkeit, bei
Abstimmungen Mehrheitsbeschlüsse verhindern zu können, ohne über die hierfür
grundsätzlich erforderliche Quote der für eine Beschlussfassung erforderlichen
Stimmen zu verfügen.
Die Vereinbarung einer Sperrminorität im
Gesellschaftsvertrag ist zulässig. Der Geschäftsführer, der über einen
entsprechenden Umfang an Anteilen verfügt und sich auf ein gesellschaftsvertraglich
verankertes Minderheitenrecht stützen kann, verfügt damit über die Rechtsmacht,
ihm unangenehme Weisungen zu unterbinden.
Bislang war zweifelsfrei, dass ein
Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer weisungsfrei und damit selbstständig
ist, wenn er über eine gesellschaftsrechtlich verankerte Sperrminorität
verfügt. Das BSG hat in seiner jüngsten Rechtsprechung indes daran gezweifelt,
ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragslage mit
Rücksicht auf die im sozialversicherungsrechtlichen Kontext des § 7 I SGB IV
stehende Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit für die Statusentscheidung
bedeutsam sind.
Letztlich hat es diese Frage offen gelassen und auch nicht
ausgeführt, wie diese Zweifel mit der Einheit der Rechtsordnung einhergehen. Ob
ein Geschäftsführer Weisungen unterliegt, ist eine Tatsache, die nicht vom
Rechtsgebiet abhängt.
Das BSG fordert zudem, dass die gesellschaftsvertraglich
verankerte Sperrminorität beständig ist und der Minderheitsgesellschafter sich
im Konfliktfall gegen die Entziehung seiner Sperrminorität wehren kann.
Wenn ein Gesellschafter über eine umfassende Sperrminorität
verfügt, kann sie ihm gegen seinen Willen nicht entzogen werden, da er diese
Satzungsänderung mit seiner Sperrminorität verhindern kann.
b) Gesellschaftsvertragliches Vetorecht gegen Weisungen
Anstelle einer Sperrminorität, welche die Fassung von
Beschlüssen der Gesellschafter verhindern kann, kann auch ein Vetorecht des
Geschäftsführers gesellschaftsrechtlich vorgesehen sein, das dem
Geschäftsführer das Recht gibt, ihm erteilte Weisungen nicht befolgen zu
müssen. Die Geltendmachung des Vetorechts und die damit einhergehende
Nichtbefolgung von Weisungen kann dann nicht von der Gesellschaft sanktioniert
werden, da dem Geschäftsführer dieses Recht gerade zugesprochen wurde. Anders
als bei der Sperrminorität ist bei einem Vetorecht indes die vom BSG geforderte
notwendige Beständigkeit der Weisungsfreiheit fraglich, weil das Vetorecht, das
sich nur auf die Befolgung von Weisungen bezieht, die Gesellschafter nicht
hindert, den Gesellschaftsvertrag dahingehend zu ändern, dass das Vetorecht
entzogen wird.
c) Gesellschaftsrechtliche Sonderrechte durch Beteiligung
oder Sperrminorität auf Ebene der Muttergesellschaft
Denkbar ist ebenfalls, dass der Geschäftsführer an der
Gesellschaft nicht beteiligt ist, aber Anteile an einer Muttergesellschaft
hält. Hält der Geschäftsführer in einem Umfang Anteile an der
Muttergesellschaft, der es ihm ermöglicht, dortige Beschlüsse über das
Abstimmungsverhalten im Rahmen der Gesellschafterversammlung der
Tochtergesellschaft herbeizuführen, kann er damit Beschussfassungen auf Ebene
der Tochtergesellschaft verhindern, wenn die Muttergesellschaft ihrerseits
mindestens 50 % der Anteile an der Tochtergesellschaft hält. Mithin kann er die
Erteilung von Weisungen an ihn in seiner dortigen Funktion als
Fremd-Geschäftsführer unterbinden.
Auch bei weiteren Zwischengesellschaften kann eine solche
Rechtsmacht bestehen.
Soweit ersichtlich hatte die Rechtsprechung bislang nur über
die Konstellation einer Beteiligung an der Muttergesellschaft von weniger als
50 % und ohne anderweitige gesellschaftsrechtliche Besonderheiten zu
entscheiden. Da in dieser Konstellation keine Möglichkeit besteht, auf Ebene
der Tochtergesellschaften Beschlüsse zu verhindern, besteht Sozialversicherungspflicht
als Fremd-Geschäftsführer der Tochtergesellschaft.
Nach den Äußerungen des BSG in den jüngsten Entscheidungen
müssen gleichwohl Zweifel verbleiben, wie sich die Rechtsprechung positionieren
wird.
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