Dienstag, 5. Januar 2010

Drohung mit Psychiater bringt Arzt vor Gericht

Dass Ärzte strafrechtlich keine Verfolgung fürchten müssen, stimmt zumindest für die Essener Justiz nicht. Am Montag saß ein Internist vor dem Essener Amtsrichter Rolf Märten, weil er einen älteren Nachbarn bedroht haben soll.

Für Streit zwischen den Hausbesitzern im Stadtwald sorgte das dichte Wurzelwerk eines Rhododendron, das einer Mauer auf der Grundstücksgrenze zusetzte. Die Auseinandersetzung hatte bereits das Niveau anwaltlicher Korrespondenz erreicht. Am Telefon soll der promovierte Mediziner, 54 Jahre alt, der 84-jährigen Ehefrau seines Nachbarn gedroht haben, ihren Mann einmal psychiatrisch untersuchen zu lassen.

Nachbarschaftsstreit

Eine derart plumpe Nötigung weist der Mediziner weit von sich. Jener 9. Dezember 2008, von dem in der Anklage die Rede ist, sei für ihn ein harter Tag gewesen, erzählt er. Zwei jungen Menschen habe er eine Krebsdiagnose stellen müssen. Als er dann nach Hause kam, habe da wieder ein Anwaltsschreiben des Nachbarn gelegen. Sofort habe er deshalb nebenan angerufen, allerdings mit der Ehefrau gesprochen, weil er mit ihr gut auskam. Gedroht habe er nicht. Dass er bei dem Nachbarn Verhaltensauffälligkeiten festgestellt habe, das will er schon gesagt haben.

Notizen während des Telefonates

Herein kommt die 84-Jährige, ganz Dame. Sie hatte sich während des Telefonates Notizen gemacht und diese dem Anwalt ihres Mannes gegeben. Warum? „Für den Fall, dass er das, was er angekündigt hat, auch vollendet.“ Der Arzt habe sie zunächst gebeten, Einfluss auf ihren Mann zu nehmen. Als sie dies ablehnte, habe er gedroht, psychiatrische und juristische Schritte einzuleiten. Er habe da Beziehungen, soll er gesagt haben.

84-Jährige belehrt den Arzt

Rachsüchtig wirkt die 84-Jährige nicht. Sie räumt ein, dass ihr Mann auch mit anderen Nachbarn Schwierigkeiten habe. Allerdings ist unter diesen ein Schwager des Angeklagten. Was sie an den Worten des Mediziners störte? „Wissen Sie, Herr Richter, ich stamme aus einem anderen Jahrhundert. Da nahm man noch sehr ernst, was ein Arzt sagt.“ Und direkt zum Angeklagten: „So etwas sagt ein junger Mann nicht zu einer älteren Frau. Das stand Ihnen nicht zu.“ Dann bedauert sie noch, dass man sich als Nachbar nicht mehr grüße: „Ich leide darunter.“ Der Angeklagte stimmt zu: „Wir alle.“

Verfahren eingestellt

Auf Vorschlag von Verteidiger Wolfgang Küpper-Fahrenberg stellt Richter Märten das Verfahren ein. 500 Euro Geldbuße muss der Mediziner zahlen. So profitiert zumindest der Kinderschutzbund als Empfänger des Geldes vom Streit unter Nachbarn.

Quelle: derwesten.de, Stefan Wette 04.01.2010
Mehr Informationen unter www.linten.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen