Freitag, 24. Juni 2011

Kündigung nach sehr geringfügiger Manipulation der Zeiterfassungsdaten rechtsunwirksam

Eine systematische Manipulation von Zeiterfassungsdaten erweist sich als schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 29.03.201, 2 Sa 533/10, entschieden. Da das gerügte Verhalten im Falle des Klägers allerdings eine verhältnismäßig geringfügige Verletzung darstelle wurde mit der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Sachverhalt

Im Unternehmen der Beklagten arbeiten die Monteure, so auch der Kläger, unter anderem im Leistungslohn, der nach so genannten festgelegten Arbeitswerten (AW) pro Stunde abgerechnet wird. Für diese Arbeiten müssen sich die Arbeitnehmer jeweils in ein Zeiterfassungssystem einstempeln. Zwölf Arbeitswerte pro Stunde entsprechen dabei 100 Prozent. Sofern an den Auftragsarbeiten ein Auszubildender mitarbeitet, erhöht sich der AW auf 14 beziehungsweise 16 AW je Stunde. Am 12.03.2010 wies der Werkstattleiter den seit 1978 bei der Beklagten beschäftigten Kläger an, einen Ölwechsel an einem Fahrzeug mit 9 AW, entsprechend 45 Minuten zu erledigen.

Um die Verkleidung des auf der Hebebühne stehenden Autos abschrauben zu können, rief der Kläger einen Auszubildenden hinzu, der die Verkleidung während des Schraubens halten sollte. Diese Hilfestellung dauerte eine Minute. Der Kläger wies den Auszubildenden an, sich für diese kurze Zeit nicht in das Zeiterfassungssystem einzustempeln. Diesen Vorfall nahm die Beklagte zum Anlass einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem LAG ohne Erfolg.

Keine präzisen Anweisungen zum Einstempeln in die verschiedenen Arbeiten

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen kann. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitnehmer einen Anderen anweise, die Zeiterfassung zu manipulieren, um selbst eine höhere Vergütung zu erzielen. Das gerügte Verhalten des Klägers am 12.03.2010 sei indessen eine verhältnismäßig geringfüge Verletzung, da der Auszubildende den Kläger nur eine Minute unterstützt habe. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Kläger in der Anhörung erklärt habe, immer so zu verfahren, könne daraus nicht geschlussfolgert werden, dass der Kläger die Auszubildenden stets daran gehindert hat, in den Leistungslohn umzustempeln. Die Beklagte habe zudem keine präzisen Anweisungen zum Einstempeln in die verschiedenen Arbeiten erteilt.

Fazit

Die Instanzgerichte scheinen die von dem Bundesarbeitsgericht in der Emmily-Entscheidung aufgezeigte Interessenabwägung genauer durchzuführen. So hat das LAG ausgeführt, dass die Manipulation von Zeiterfassungsdaten grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Interessenabwägung führt aber dazu, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist. Denn, so steht zu vermuten, das LAG wird argumentieren, dass das Vertrauensverhältnis nicht durch die geringfügige Manipulation zerstört worden sein kann. Vor der Emmily-Entscheidung wäre das Urteil vermutlich zu Lasten des Klägers ausgegangen. Die Interessenabwägung fiel fast immer, auch bei kleinsten arbeitsvertraglichen Verstößen, zu Lasten der Arbeitnehmer aus.

Es informiert Rechtanwalt Christian Schäfer bei arbeitsrechtfix.de

Donnerstag, 23. Juni 2011

Keine Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses durch mündlichen Geschäftsführerdienstvertrag

Ein bestehendes Arbeitsverhältnis kann durch den Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags nur dann nach § 623 BGB formwirksam aufgehoben werden, wenn der Geschäftsführervertrag schriftlich geschlossen wird. Ohne formwirksame Aufhebung bleibt bei einem Streit über die Beendigung des weiterhin bestehenden Arbeitsverhältnisses der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.

BAG, Beschluss vom 15.03.2011- 10 AZB 32/10

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1996 als kaufmännischer Angestellter bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Im Jahr 2008 wurde er in die Geschäftsführung der Beklagten berufen. Eine schriftliche Vereinbarung wurde nicht geschlossen.

Die Beklagte kündigte das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis. Kurze Zeit später kündigte die Beklagte vorsorglich alle etwaig bestehenden Arbeits- oder sonstigen Dienstverhältnisse zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Das ArbG Hamburg hat den Rechtsstreit an das LG Hamburg verwiesen. Das LAG Hamburg hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers hin den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Rechtliche Wertung

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Zwar werde im Zweifel mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags das bisherige Arbeitsverhältnis des angestellten Mitarbeiters aufgehoben. Die gegenteilige Annahme setze deutliche Anhaltspunkte für die Absicht der Parteien zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses voraus. Allerdings sei für die wirksame Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses die Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB erforderlich. Hierfür genüge der Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrags. Daran fehle es aber im vorliegenden Fall. Das ursprünglich bestehende Arbeitsverhältnis sei daher nicht beendet.

Das Arbeitsverhältnis ist nach Auffassung des BAG durch die Geschäftsführerbestellung auch nicht umgewandelt worden. Jede Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses, die auf eine Beendigung ziele, setze nach § 623 BGB Schriftform voraus.

Fazit

Das BAG setzt seine Rechtsprechung zur Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses bei Beförderung zum Geschäftsführer und zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in solchen Konstellationen konsequent fort. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn neben dem Geschäftsführerdienstvertrag ein weiteres (ruhendes) Arbeitsverhältnis besteht. Für einen Streit über dessen Bestand sind die Arbeitsgerichte zuständig. Die Fälle, in denen tatsächlich ein solches Ruhen des Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist, sind bei der Beförderung eines bisherigen Arbeitnehmers zum Geschäftsführer jedoch selten. Das BAG nimmt an, dass im Zweifel das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben wird. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn für einen abweichenden Parteiwillen deutliche Anhaltspunkte vorliegen oder – wie hier – die Parteien das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 623 BGB für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht einhalten.

Beraterhinweis für den Arbeitnehmer

Diese Fallkonstellationen tauchen immer wieder auf. Sie bergen enormes finanzielles Potenzial. Im Regelfall kündigt der Dienstherr nur den Geschäftsführerdienstvertrag, zumeist fristlos. Über deren Wirksamkeit streiten die Parteien dann vor dem Landgericht und finden zumeist eine gütliche Einigung in Form eines Vergleichs. Dieser sollte aus Arbeitnehmersicht nur eine Regelung über die Beendigung des Dienstverhältnisses zum Inhalt haben.

In einem zweiten Schritt wird der Arbeitgeber dann zu seiner Überraschung aufgefordert, das bislang ruhende, durch die Beendigung des Geschäftsführerdienstvertrags aber wieder auflebende Arbeitsverhältnis wieder fortzusetzen. Das Erstaunen ist groß und führt zu einer weiteren Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist ist die Vergütung fortzuzahlen. Zudem ist meistens eine Abfindung zu generieren, weil die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist.

Beraterhinweis für den Arbeitgeber/Dienstherrn

Bei der Beförderung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer sollte zwingend die Schriftform für den Geschäftsführerdienstvertrag gewahrt werden, damit hierdurch das Arbeitsverhältnis beendet wird, und nicht ruht.

Ansonsten droht das oben aufgezeigte Szenario, wenn der Berater des Arbeitnehmers die Problematik erkennt.

Es informiert Rechtanwalt Christian Schäfer bei arbeitsrechtfix.de

Dienstag, 21. Juni 2011

Informationsblatt zur Insolvenzanmeldung von TelDaFax

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie der Tagespresse bereits entnehmen konnten, hat TelDaFax am 14.06.2011 einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Dieser Insolvenzantrag betrifft die TelDaFax Holding AG, die TelDaFax Energie GmbH und die TelDaFax Services GmbH. Das Amtsgericht Bonn hat den Düsseldorfer Rechtsanwalt Biner Bähr zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Im Folgenden möchten wir Ihnen die rechtliche Bedeutung des Insolvenzantrags und der evtl. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die weiteren rechtlichen Vorgehensweisen je nach Interessenslage darstellen.

1. TelDaFax hat Ihre Kündigung nicht akzeptiert bzw. nicht bestätigt:

Es ist davon auszugehen, dass auch die restlichen Netzbetreiber, die an TelDaFax Strom und Gas immer noch weiterleiten, die Verträge mit TelDaFax kündigen werden. Das wird dazu führen, dass TelDaFax keinen Strom und kein Gas mehr liefern können wird. In diesem Fall erfolgt eine unmittelbare Übernahme der Versorgung durch den örtlichen Grundversorger. Dieser dürfte Ihnen die Übernahme schriftlich mitteilen.

Die Grundversorgung ist grundsätzlich teurer, so dass wir Ihnen bereits jetzt schon raten, sich über einen Anbieterwechsel zu informieren und diesen durchzuführen. Rein theoretisch ist ein Schadensersatzanspruch gegen TelDaFax aufgrund der vorübergehenden teureren Grundversorgung denkbar, ob ein solcher Schadensersatzanspruch realistisch umzusetzen ist, hängt von dem weiteren Verlauf eines Insolvenzverfahrens ab und bleibt daher abzuwarten. Grundsätzlich raten wir Ihnen, die Zählerstände zu notieren und evtl. Einzugsermächtigungen zum Lastenschrifteneinzug zu widerrufen.
Solange TelDaFax oder der Insolvenzverwalter Strom und Gas liefert, besteht ein Sonderkündigungsrecht zur fristlosen Kündigung aufgrund des Insolvenzantrages nicht. Die Versorgungsverträge mit TelDaFax bleiben wirksam. Es gelten die vereinbarten Kündigungsfristen. Wenn TelDaFax nicht mehr liefern kann, steht Ihnen ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB wegen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten zu. Es sollte allerdings in Abhängigkeit von der vertraglichen Situation gehandelt werden: Wenn hohe Vorschüsse geleistet wurden, ist es nicht empfehlenswert, sofort zu kündigen.

2. TelDaFax verfolgt Ansprüche gegen Sie:

In diesem Fall raten wir Ihnen, abzuwarten, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erst danach bleibt abzuwarten, ob der Insolvenzverwalter etwaige Ansprüche geltend macht.

3. Sie haben Forderungen gegen TelDaFax aus Guthaben oder bereits geleisteten Vorschüssen:

Bereits anhängige Prozesse gegen TelDaFax - das betrifft Klagen und Anträge auf Erlass von Mahnbescheiden, die bereits bei dem jeweiligen Gericht eingegangen sind - werden im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzverwalter übernommen. Wir weisen Sie darauf hin, dass für diesen Fall eine Unterbrechung des Prozesses von Gesetzes wegen eintritt. Ihre Forderung muss dann zur Insolvenztabelle angemeldet werde. Sofern und soweit der Insolvenzverwalter die Forderung bestreitet, können Sie den Rechtsstreit mit dem Antrag, die Forderung zur Insolvenztabelle festzustellen, fortführen.

Sollten Ihre Rechtsstreitigkeiten noch nicht gerichtlich anhängig sein, besteht für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, Ihre Forderungen bei dem Insolvenzverwalter anzumelden. Auf diesem Wege wird die Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Dann besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter die Forderung bestreitet und diese sodann gerichtlich festgestellt werden müsste.

Aus der Insolvenzmasse kann später nur derjenige anteilmäßig befriedigt werden, dessen Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt wurde. Erfahrungsgemäß beträgt die Quote der Befriedigung zwischen 3-5 % der Forderung. Es ist daher zu erwarten, dass der letztlich ausgezahlte Betrag die hier anfallenden Kosten für die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht erheblich übersteigt.



In jedem Falle bleibt der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten.

Den rechtsschutzversicherten Mandanten raten wir, für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen (durch uns) bei dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Unseren nicht rechtsschutzversicherten Mandanten raten wir, die eventuelle Anmeldung ihrer Forderungen aus Kostengründen selbst vorzunehmen.

Wir hoffen, Ihnen einen groben Überblick über mögliche Vorgehensweisen in dieser unangenehmen Angelegenheit verschafft haben zu können und stehen für eventuelle Rückfragen oder ergänzende Auskünfte gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen GrüßenLinten & Partner
Rechtsanwälte

Das Informationsblatt können Sie hier als PDF-Datei herunterladen:
http://www.linten.de/images/stories/informationsblatt_teldafax.pdf

Dienstag, 14. Juni 2011

Arbeitgeber dürfen die Kündigung auch außerhalb der Wohnung dem Ehepartner des Arbeitnehmers übergeben

Eine Kündigung geht dem Arbeitnehmer regelmäßig auch dann zu, wenn der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben dessen Ehepartner übergibt. Dieser ist grds. als Empfangsbote des Arbeitnehmers anzusehen. Das gilt auch, wenn ihm das Schreiben außerhalb der Wohnung übergeben wird. Entscheidend für den Zugang ist nur, ob und wann unter normalen Umständen mit einer Weiterleitung des Schreibens an den Arbeitnehmer zu rechnen ist.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2003 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Nach einem Konflikt verließ die Klägerin am 31.1.2008 ihren Arbeitsplatz. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.2.2008.

Das Kündigungsschreiben ließ die Beklagte durch einen Boten dem Ehemann der Klägerin überbringen, dem das Schreiben am Nachmittag des 31.1.2008 an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt übergeben wurde. Der Ehemann der Klägerin ließ das Schreiben zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen und reichte es erst am 1.2.2008 an die Klägerin weiter.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht mit dem 29.2.2008, sondern erst mit dem 31.3.2008 beendet worden ist. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wirksam zu Ende Februar 2008 gekündigt. Das Kündigungsschreiben vom 31.1.2008 ist der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien gem. § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum 29.2.2008 beendet worden ist.

Allgemein gilt, dass ein Kündigung unter Abwesenden nach § 130 Abs. 1 BGB erst wirksam wird, wenn sie dem Kündigungsgegner zugegangen ist. Der Kündigende trägt insoweit das Risiko der Übermittlung und des Zugangs der Kündigungserklärung. Diese ist erst dann zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann.

Arbeitgeber können das Kündigungsschreiben auch einer Person übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung lebt und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheint, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten. Eine solche Person ist nach der Verkehrsanschauung als Empfangsbote des Arbeitnehmers anzusehen. Dies ist in der Regel bei Ehegatten der Fall.

Nach diesen Grundsätzen war der Ehemann der Klägerin bei der Übergabe des Kündigungsschreibens am Nachmittag des 31.1.2008 Empfangsbote. Dem steht nicht entgegen, dass ihm das Schreiben an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt und damit außerhalb der Wohnung übergeben wurde. Entscheidend ist, dass unter normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am 31.1.2008 zu rechnen war.

Beraterhinweis:

Aus Arbeitgebersicht kann man auf diese Weise die fristgerechte Zustellung der Kündigung noch erreichen, wenn die Zustellung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht mehr fristgerecht erfolgen kann.

Aus Arbeitnehmersicht sollte ein Ehegatte oder Lebenspartner die Entgegennahme verweigern. Der genaue Sachverhalt der Entscheidung ist noch abzuwarten. Es mutet allerdings lebensfremd an, dass das Gericht unterstellt, eine am Arbeitsplatz des Ehegatten des zu Kündigenden übergebene Kündigung gehe noch am Abend nach Rückkehr dem Arbeitnehmer zu. Das BAG übersieht hierbei, dass durch die berufliche Belastung die Kündigung in Vergessenheit geraten kann.

Trotz Verweigerung der Annahme kann der Zugang nicht fingiert werden, wie dies grundsätzlich von der Rechtssprechung angenommen wird. Denn die Annahmeverweigerung ist nicht grundlos. Der Partner hat einen nachvollziehbaren Grund für die Annahmeverweigerung. Er befindet sich nämlich nicht in der Wohnung, so dass die Kündigung durch Beruf, Stress und andere äußere Einwirkungen zeitweilig aus den Augen geraten kann. Somit ist die Weiterleitung des Kündigungsschreibens am selben Tag nicht gewährleistet.

Quelle: Rechtsanwalt Christian Schäfer bei arbeitsrechtsfix.de

Sonntag, 12. Juni 2011

Krankenversicherung: Keine Erstattung der Kosten für Psychotherapie

Wenn in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenversicherung die Erstattung von kosten einer Psychiotherapie von einer vorherigen schriftlichen Zusage des Versicherers abhängig ist, so kann der Versicherer im Fall der Nichteinholung dieser Zusage berufen auch wenn die Behandlung medizinisch notwendig ist. Die Versicherung handelt nicht treuwidrig, wenn ihr vor Behandlungsbeginn keine Gelegenheit zu deren Prüfung eingeräumt worden ist.Anders kann das zu beurteilen sein, wenn der Versicherungsnehmer ausreichend Gegelegenheit dazu eingeräumt hat oder der Versicherungsnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, der Versicherung die Gelegenheit dazu zu geben, zb wenn er direkt vom behandelnden Arzt psychotherapeutische stationäre Behandlung eingewiesen wurde.
( OLG Köln Urteil vom 22.10.2010 20 U 30/10 )

mitgeteilt von Rechtsanwalt Ulrich Kelch Fachanwalt für Versicherungsrecht

Sonntag, 5. Juni 2011

Unfallversicherung: Keine Leistung bei zunächst nicht erkannten Unfallfolgen

Das Landgericht Dortmund hat die Klage eines Versicherungsnehmers abgewiesen, weil die in den Versicherungsbedingungen festgelegten Fristen ( Eintreten der Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall und ärztliche Feststellung innerhalb 15 Monate nach dem Unfall ) nicht eingehalten wurden.
Der Versicherungsnehmer hatte am 01.11.2007 einen Unfall. Zunächst wurde eine Invalidität aufgrund der Unfallfolgen nicht festgestellt, weil ein erlittener Brustbeinbruch nicht erkannt wurde und die Ärzte davon ausgingen, dass wegen der erlittenen Verletzungen keine Invalidität drohe. Erst im März 2010 wurde dem Versicherungsnehmer von den Ärzten mitgeteilt, dass wegen eines unfallbedingten Brustbeinbruches mit Pseudoarthrose eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit vorliege.

mitgeteilt von Rechtsanwalt Ulrich Kelch Fachanwalt für Versicherungsrecht