Mittwoch, 4. Mai 2011

Katholische Kirche wehrt Restitutionsklage des gekündigten Kirchenmusikers mit Linten & Partner erfolgreich ab. Trotz Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine Wiederaufname des Verfahrens

Der Kläger war seit dem Jahre 1983 bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Kirchenmusiker tätig. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1998 mit der Begründung, der noch verheiratete Kläger unterhalte nach Trennung von seiner Ehefrau eine außereheliche Beziehung. Die Ehe des Klägers wurde im August 1998 geschieden. Die Kündigungsschutzklage des Kirchenmusikers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundesarbeitsgericht blieb im Jahr 2000 ebenso ohne Erfolg wie dessen Verfassungsbeschwerde im Jahr 2002. Auf die Individualbeschwerde des Klägers vom 11.01.2003 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied dieser am 23.09.2010, dass die Beschwerde zulässig und dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt ist. Art. 8 EMRK schützt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Die vom Kläger erhobene Restitutionsklage blieb vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf erfolglos. Die Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens war nicht zulässig. Zwar sieht § 580 Nr. 8 ZPO als Wiederaufnahmegrund für ein nach nationalem Recht rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren die Feststellung der Verletzung der EMRK durch den EGMR vor. Dieser neu eingeführte Restitutionsgrund konnte für den Kläger jedoch nicht zur Anwendung kommen, weil er aufgrund der Übergangsvorschrift des § 35 EGZPO nicht auf Verfahren anzuwenden ist, die vor dem 31.12.2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Dies ist vorliegend der Fall. Weder das deutsche Verfassungsrecht, noch die EMRK verpflichten den nationalen Gesetzgeber, im Falle der Feststellung der Verletzung der EMRK durch den EGMR einen eigenen Restitutionsgrund zu schaffen. Schafft der nationale Gesetzgeber ohne rechtliche Verpflichtung einen solchen Wiederaufnahmegrund, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn er aus Gründen der Rechtssicherheit und aus Vertrauensschutzgesichtspunkten, die Einführung mit einer Stichtagsregelung

verbindet. Unabhängig davon hatte der Kläger die Frist des § 586 Abs.

2 Satz 2 ZPO von fünf Jahren für die Erhebung der Restitutionsklage nicht eingehalten.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2011 - 7 Sa 1427/10

1 Kommentar:

  1. Diese Formulierung irritiert etwas: "Unabhängig davon hatte der Kläger die Frist ... von fünf Jahren ... nicht eingehalten."

    Verstehe ich die zeitliche Abfolge richtig? Die inländischen Rechtsmittel waren im Jahr 2000 (BAG) bzw. 2002 (BVerfG) aufgebraucht. Weil der EuGHMR erst 2010 entschied, konnte vor dem 31.12.2006 objektiv nicht auf Wiederaufnahme geklagt werden.

    Sollte die irritierende Formulierung - wegen der objektiven Unmöglichkeit - also nicht besser lauten: "... hatte der Kläger die Frist ... nicht einhalten können."

    Anderenfalls vermutet man bei oberflächlichem Lesen, der Musikus hätte die Restitutionsklage prokrastiniert. Diese Vermutung dürfte er aber nicht auch noch verdient haben.

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