Montag, 26. September 2011

Verspätete Krankmeldung kann ordentliche Kündigung rechtfertigen

Verletzt der Vorarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens trotz mehrfach erfolgter Abmahnung wiederholt die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit, ist seine ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Das hat das Gericht (LAG Hessen) entschieden. Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit ergebe sich aus dem Gesetz. Nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Klägers trotz bereits erhaltener Abmahnungen überwiege hier das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zumal die Eigenart der erbrachten Dienstleistung eine unverzügliche Mitteilung erfordere.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 18.01.2011, 12 Sa 522/10

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein am Flughafen tätiges Dienstleistungsunternehmen, das u.a. Flugzeuginnenreinigung durchführt. Der 37-jährige ledige Kläger arbeitete seit Mai 1993 als Vorarbeiter bei der Beklagten. In der Vergangenheit war er wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, meistens wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule. Bereits im Jahre 2003 erinnerte die beklagte Arbeitgeberin ihn schriftlich daran, eine Erkrankung unverzüglich, d.h. möglichst noch vor Dienstbeginn, der Personalabteilung anzuzeigen, damit das Personal anderweitig disponiert werden könne.

Der Kläger zeigte in der Folgezeit zwischen 2003 und 2009 seine Arbeitsunfähigkeit dennoch sechsmal verspätet an und wurde dafür viermal abgemahnt. Im September 2009 meldete der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit wiederum nicht unverzüglich und wurde deshalb vom Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Das ArbG gab der Kündigungsschutzklage statt. Dem Umfang der Fehlzeiten sei keine Indizwirkung für eine negative Prognose gegeben, weil für die Jahre 2006 und 2009 die für die Prognose zu berücksichtigenden Fehlzeiten jeweils unter 30 Arbeitstagen pro Jahr lägen. Zwar lägen Pflichtverletzungen des Klägers vor, allerdings komme diesen nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht das Gewicht zu, um das Arbeitsverhältnis ordentlich oder gar außerordentlich kündigen zu können.

Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG das Urteil auf und wies die Kündigungsschutzklage ab.

Entscheidung

Das LAG Hessen hielt die Kündigung zwar nicht als fristlose, aber doch als ordentliche Kündigung für wirksam. Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer ergebe sich aus dem Gesetz. Sie bestehe unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Klägers trotz erhaltener Abmahnungen überwiege das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Klägers trotz erhaltener Abmahnungen überwog hier das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Eigenart der vom Arbeitgeber erbrachten Dienstleistung, nämlich der Flugzeuginnenreinigung, bringt es mit sich, dass sie jeweils nur in einem engen zeitlichen Fenster erledigt werden kann. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit der Arbeitgeber den Personaleinsatz kurzfristig anderweitig disponieren kann. Außerdem fiel dem Kläger als Vorarbeiter noch eine herausgehobene Rolle zu.

Beraterhinweis

Der Fall zeigt auf, welchen steinigen Weg ein Arbeitgeber gehen muss, bevor er ein Arbeitsverhältnis aufgrund mehrfach abgemahnten Fehlverhaltens ordentlich kündigen kann. Bereits im Jahr 2003 hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daran erinnert rechtzeitig seine Arbeitsunfähigkeit anzuzuzeigen. In den nachfolgenden Jahren hat der Kläger noch sechsmal die Arbeitsunfähigkeit verspätet angezeigt und wurde dafür viermal abgemahnt. Den letzten Vorfall hat der Arbeitgeber dann zum Anlass genommen, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen. Einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung hat das Gericht nicht erkennen können, so dass der Arbeitgeber dem gekündigten Arbeitnehmer aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit noch 6 Monate Vergütung nachzuzahlen hatte, weil die ordentliche Kündigungsfrist vermutlich 6 Monate betrug.

Der Arbeitgeber hätte besser den nächsten Anlass im Jahr 2003 zum Anlass einer ordentlichen Kündigung genommen. Damals war der Arbeitnehmererst 10 Jahre beschäftigt, so dass die Kündigungsfrist vier Monate betrug. Durch eine ordentliche Kündigung hätte der Arbeitgeber noch weitere vier Monate die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nutzen können. Und mit der Regelabfindung von 5 Monatsgehältern für 10 Jahre Betriebszugehörigkeit wäre ein störender Mitarbeiter schnell entsorgt worden. So hat sich der Arbeitgeber noch weitere 6 Jahre mit seinem Arbeitnehmer herumgeärgert und am Ende noch sechs Monatsgehälter zuzüglich Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt.

Rechtsanwalt Christian Schäfer berät bei arbeitsrechtfix.de

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